So weit die Schuhe tragen

„Wir liefen durch Madagaskar…“ – Wir wollen aus einem Bergdorf berichten. Aber der Weg dorthin ist weit und beschwerlich – vor allem, wenn man die falsche Ausrüstung mitgebracht hat.

 

„Willst du wirklich mit diesen Schuhen gehen?“ – Irgendwie verstehe ich die Frage nicht ganz, die mir einer unser Begleiter stellt. Klar ziehe ich mir meine Bergschuhe an, welche denn sonst?

 

"Bitte bereitet euch auf einen langen Fußmarsch vor!"

 

Denn als das Programm für unsere Recherchereise nach Madagaskar feststand, las ich an einer Stelle den Hinweis: „Bitte bereitet euch auf einen langen Fußmarsch vor!“

 

 

Ein ziemlich abgelegenes Dorf in den Bergen von Madagaskar wollen wir besuchen, man kann es nur zu Fuß erreichen. „Kein Problem“, dachte ich mir, und packte meine altgedienten Bergschuhe in den Koffer.

 

Ich bin aus Bayern und kenne

mich aus - dachte ich

 

Ich muss dazu sagen, dass ich aus dem bayerischen Voralpenland komme. Bei uns zu Hause lachen wir gerne über Hobbybergsteiger aus flacheren Gefilden, die mit Turnschuhen oder Sandalen unterwegs sind.

 

  

Oder wir staunen, wie vor kurzem, als diese Meldung im Radio kam: Eine Gruppe junger Studenten aus Indonesien  sei am Watzmann in Bergnot geraten und musste von der Bergwacht gerettet werden.

 

Die Besucher aus Südostasien hätten nur Badeschlappen an den Füßen gehabt, berichtete der Nachrichtensprecher.

 

Die tragen ja nur Badelatschen - und

laufen doppelt so schnell

 

Genau wie unsere Gastgeber in Vohilava, Madagaskar. Die meisten laufen in Flip-Flops, andere sogar barfuß. Sie lachen mich an, als sie meine klobigen Stiefel sehen. „Verrückter Europäer“, denken sie jetzt wahrscheinlich. Aber ich lache zurück und denke mir: „Ihr werdet schon sehen.“

 

 

 

Es dauert keine halbe Stunde, da ahne ich, wer von uns besser ausgerüstet ist. Ich bin es jedenfalls nicht. Der Weg führt von einem sumpfigen Reisfeld zum anderen, wir durchqueren eiskalte Bäche, und das Wasser dringt im Nu durch meine Schuhe.

 

Das Leder saugt sich voll, und mir scheint es bald so, als würden meine Füße in zwei zentnerschweren Zementblöcken stecken.

Immer weiter! Bloß nicht aufgeben, das wäre ja gelacht!

 

Und als unsere Wanderung langsam in die vierte und die fünfte Stunde geht, laufe ich plötzlich an der Spitze unserer kleinen Expeditionsgruppe. Na also, passt doch! Aber auch da irre ich mich.

 

So eine Blamage: Jetzt

haben sie auch noch Mitleid

 

„Wir gehen hinter dir, damit du keinen Stress hast“, sagt einer der Begleiter. Was er meint: Sie gehen absichtlich alle langsamer als sonst, und lassen mich vorne weg marschieren. Sonst hätten sie mich nämlich sofort abgehängt und ich käme nicht mehr hinterher, würde mich vielleicht sogar verlaufen hier im Dschungel.     

 

Die jungen Leute aus dem Dorf legen diesen Weg manchmal sogar mehrmals am Tag zurück. Wo wir Gäste sechs Stunden brauchen, kommen sie in der Hälfte der Zeit ans Ziel. Und tragen dabei noch unsere schweren Rucksäcke.

 

 

Als wir im Dorf Tanambao Nord eintreffen, bin ich klatschnass. Vom Schweiß, oder vom Wasser in den Schuhen, ich weiß es nicht. Und ich treffe eine Entscheidung, die ich sofort in die Tat umsetzen werde, wenn wir nach drei Wochen auf Madagaskar wieder zurück in Deutschland sind.

 

Ab auf den Speicher mit euch

alten Schuhen

 

Schweren Herzens verabschiede ich mich dann von meinen tapferen Wanderschuhen. Ich habe sie 1998 oder 1999 für genau 50 D-Mark gekauft. Sie haben mich durch Irland, durch China und die Sahara getragen. Aber die Tour in die madagassischen Berge hat ihnen den Rest gegeben.

 

Ein letztes Beweisfoto noch, dann kommen sie in eine Kiste und landen auf dem Speicher. Auch wenn ich die nächste Wanderung trotzdem nicht in Flip-Flops unternehmen werde: Diese Schuhe haben sich ihren Ruhestand redlich verdient.

 

 

Ich mir dagegen noch nicht. Ich freue mich auf die nächste Tour!

 

 

Dieser Text ist zuerst HIER erschienen

Die Reportage "Wo die Waldleute wohnen" gibt es HIER und HIER

zu lesen.

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