Auf dem Friedhof von Colombo treffen sich Bischöfe und Bettler, Totengräber und Trauernde. Auch für zwei Reporter aus dem fernen Deutschland findet sich noch ein trockenes Plätzchen.
Allerheiligen in Sri Lanka – Feiertagsmesse im Freien und ein Gräberumgang, das ist doch die Idee! Vielleicht, so war die Überlegung, würden wir einigen Familien begegnen, die uns etwas erzählen wollen über ihre verstorbenen Angehörigen. An die 100 000 Opfer hat der jahrelange Bürgerkrieg gefordert, und viele von ihnen sind auf dem weitläufigen Friedhof von Colombo („Borella Cemetery“) beerdigt, wo für Buddhisten, Hindus, Katholiken, Protestanten und Anglikaner eigene Bereiche reserviert sind.
Sagt nicht auch die Art, wie ein Land seine Verstorbenen behandelt, einiges darüber aus, wie es den Lebenden ergeht? Baut man den Toten pompöse Heldendenkmäler, oder verscharrt man sie in anonymen Massengräbern?
Respektiert man die Hinterbliebenen, zahlt ihnen vielleicht sogar eine Entschädigung? Oder zerrt man sie nur einmal im Jahr zum großen nationalen Gedenktag hervor, und überlässt sie ansonsten ihrem Schicksal?
Regen statt Recherche
Alles ganz interessante Fragen für unsere Reportage. Aber auf der Suche nach Antworten kommt uns leider die Wirklichkeit dazwischen. Plötzlich entleeren sich die dunklen Monsunwolken, die schon seit einiger Zeit am Himmel aufgezogen sind. Regen prasselt hernieder, und überflutet die Kieswege zwischen den Gräbern.
Besucher schlüpfen eilig unter das weiße Plastikzelt, das für den Gottesdienst im katholischen Teil des Friedhofs errichtet worden ist. Keiner denkt jetzt noch daran, sich besinnlich vor dem Familiengrab aufzustellen. Von Reportern ansprechen lassen will sich bestimmt auch niemand.
Die sind inzwischen sowieso schon völlig durchnässt – der eine schützt seine Fotokameras vor dem Regenwasser, der andere befürchtet, dass ihm seine wertvollen Gesprächsnotizen im Rucksack aufweichen.
Aber dann spricht doch noch jemand mit uns. „Kommt!“ ruft ein klein gewachsener Mann und winkt uns unter ein zweites, kleineres Zelt. Zehn, fünfzehn Leute schützen sich hier vor dem Regen.
Neben dem Totengräber ist
immer ein Platz frei
Sie gehören nicht zur eher vornehmen Gottesdienstgemeinde nebenan, wo ein Bischof gleich die Messe lesen wird, und elegant gekleidete Familien schon gespannt darauf warten.
Die Gläubigen von drüben blicken ab und zu herüber. Verächtlich? Skeptisch? Kritisch? Sie schauen auf die bettelnden Frauen und Jugendlichen neben uns.
Auf die paar Männer mit Spaten und Spitzhacken, die sonst wohl als Totengräber hier arbeiten. Auf den Mann, der zwar ein Fahrrad hat, aber nur ein Bein. Und auf die beiden begossenen Reporter aus Deutschland, die hier doch eigentlich ganz gut dazu passen.
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